26.02.2025
Bioreaktoren ermöglichen realistische Testbedingungen
Verletzungen und Erkrankungen des Knorpels und der Bandscheiben stellen die Medizin vor grosse Herausforderungen, da sie kaum zur Selbstheilung fähig sind. Deshalb arbeiten Forschende in Davos intensiv an wirkungsvollen Therapieansätzen. Eine Schlüsselrolle spielen dabei Bioreaktoren, die es ermöglichen, das Verhalten von Zellen unter realistischen Bedingungen nachzubilden.
Die Pharmazeutin und Biologin Sibylle Grad forscht seit fast 25 Jahren am AO Forschungsinstitut Davos (ARI) zur Regeneration von Knorpel und Bandscheiben. «Einfache Zellkulturen in der Petrischale liefern oft nicht die realistischen Ergebnisse, die wir brauchen», erklärt Grad. Bioreaktoren hingegen erlauben es, Zellen unter mechanischer Belastung zu untersuchen – ein entscheidender Faktor, da Bewegung die Zellbiologie massgeblich beeinflusst. «Wir erforschen, wie Knorpelzellen auf unterschiedliche Belastungen reagieren, wann Bewegung Heilung fördert und wann sie schadet», sagt sie. Das ARI hat bereits mehrere Bioreaktoren entwickelt, darunter ein Modell für das Kniegelenk, das sowohl Druckbelastungen als auch Scherkräfte simuliert. Inzwischen existiert ein weiterentwickeltes Modell für Bandscheiben. Die neueste Generation dieser Bioreaktoren simuliert Bewegungen in sechs Freiheitsgraden: vor und zurück, hoch und runter, links und rechts sowie Drehbewegungen. Das System entstand in einem SNF-Projekt in Zusammenarbeit mit der ETH Zürich und dem CSEM Neuchâtel.
Ein wesentlicher Bestandteil der Forschung sind biologische Proben. Das Team um Sibylle Grad bezieht frische Bandscheiben von Kuhschwänzen aus dem Fleischzentrum in Klosters. «Die Zellen müssen noch leben. Deshalb holen wir die Proben direkt nach der Schlachtung ab», erklärt sie. Ein grosses Problem degenerativer Bandscheiben ist das Austrocknen des gallertartigen Kerns. Stammzelltherapien bieten vielversprechende Ansätze, doch klinische Studien liefern bisher uneinheitliche Ergebnisse. «Wir untersuchen, unter welchen Bedingungen Stammzellen in der Bandscheibe überleben und aktiv bleiben», berichtet Grad. Ihre Forschungsgruppe arbeitet mit der TU Wien zusammen, die spezielle Zellträger entwickelt, um die Zellen in der Bandscheibe zu stabilisieren. Ein weiteres Forschungsfeld ist die Schmerzreaktion der Bandscheibe. Die Forschungsgruppe von Grad ko-kultiviert Bandscheiben mit Nervenzellen, um zu verstehen, welche Zelltypen für die Schmerzübertragung verantwortlich sind.
Die Forschung in Davos hat in den letzten Jahrzehnten beeindruckende Fortschritte gemacht. «Früher kannte man Davos vor allem als Wintersportort. Heute gilt es auch als anerkannter Wissenschaftsstandort», freut sich Grad. Der geplante Neubau des AO Science Cycle wird modernste Forschungseinrichtungen bieten und die Entwicklung weiter vorantreiben.
Neben ihrer Forschung lehrt Grad als Professorin an der ETH Zürich und engagiert sich für die Academia Raetica, die Forschende in Graubünden vernetzt. Trotz ihrer zahlreichen Aufgaben findet sie Zeit für Ausgleich: «Langlaufen in der Mittagspause oder Yoga am Abend sind meine Wundermittel», verrät sie.
AO Research Institute Davos (ARI)
Clavadelerstrasse 8
7270 Davos